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2. Jahrestag
 

Sonnenuntergang

 

 

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2. Jahrestag aufgegeben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 


Sie sagen, es ist doch schon so lange her,
nach so langer Zeit trauert man nicht mehr.

Man darf sich erinnern, leise, am besten stumm.

Ich frage, mit welchem Recht sie das sagen, - "warum"?

 

Könnten sie den Schmerz nur erahnen, nicht mal ermessen,
wären sie dann so schnell mit dem Wort "Vergessen"?
Wären auch ihre Augen oftmals von Tränen blind,
würden sie trauern um ihr eigenes Kind?

 

Trauer meist leise, wie ein Windhauch, vertraut und zart.

Doch an solchen Tagen, einem Orkan gleich, brutal und hart.

Träume, Vermissen, Erinnerungen, alles so nah.

Es scheint mir, als ob es erst gestern war.

 



Zwei Jahre; das ist schon lange her, immer noch Trauer?
Ja, Trauer, Sehnsucht und Schmerz sind zu unserem ständigen Begleiter geworden. Sie gehören dazu, aber man lernt hiermit umzugehen. Nach und nach gelingt es, zum Leben zurückzufinden, was wohl heißt, auch gute Tage zu haben. Diese guten Tage werden mehr, man kann sie mittlerweile leben, ohne gleich ein schlechtes Gewissen zu haben. Schritt für Schritt müssen wir diesen Weg weitergehen.

Zwei Jahre; jeden Tag in dieser Zeit gehen wir zum Friedhof, besuchen Stefans letzte Ruhestätte. Hier können wir unsere Trauer leben, aber hier wird einem auch diese Endgültigkeit vor Augen gehalten. Wir stehen vor Stefans Grab, müssen seinen Namen, eingemeißelt in Stein lesen. Es ist wie ein Alptraum, aus dem wir niemals erwachen werden.

Zwei Jahre; so lange und doch so nah. Das Zeitgefühl hat sich verändert. Man lebt von Tag zu Tag. Nichts ist oder wird so, wie es mal war. Erinnerungen an Stefan begleiten uns, die uns fröhlich, oftmals auch traurig machen. Aber diese sind wichtig, das was uns von Stefan geblieben ist.

Zwei Jahre; genau vor diesen begann für uns eine neue Zeitrechnung. Manchmal ist der Schmerz die Brücke zu einem ganz neuen Leben. Alles hat sich verändert, Stefan ist nicht mehr bei uns. Sein Platz ist leer, diesen kann nie ein anderer einnehmen. Die Lücke, die Stefan hinterlassen hat, ist nicht zu schließen.
Vieles, was bis dahin selbstverständlich und wichtig war,  betrachten wir heute anders. Wir wissen heute wie unwichtig die materiellen Werte wie Geld, Status und Einfluss sind. Wir beginnen das Leben, den Augenblick und die Natur zu fühlen, intensiver und bewusster wahrzunehmen.


Immer wieder neue Gedanken, die mich beschäftigen und mir durch den Kopf gehen. Dennoch wird es nie gelingen, diese Gedanken und Gefühle niederzuschreiben. Es gibt keine Worte, die dies ausdrücken können.


 

Stefan, Du bist gegangen,

ohne Abschied zu nehmen,
ohne zu sagen warum.

Das Schicksal wollte es so,
dass es uns für immer trennt.
Wir hatten Dir noch so viel zu sagen.

Was uns bleibt sind Erinnerungen an Dein Leben
- mit Tränen voller Schmerz und voller Leid -.
 


 

Eine Geschichte habe ich gefunden und möchte diese hier einbringen,
sie ist etwas länger, doch eine wirklich ergreifend schöne Geschichte.

Es heißt: "Das Sommerland" nach Eyvind Skeie.


Ich weiß nicht, wie ich Dir das erzählen soll. Denn es ist kein Märchen, und gleichzeitig ist es doch so etwas wie ein Märchen. Es steht nämlich so auch nicht in der Bibel. Und es ist niemals passiert, und doch passiert es immer wieder. Es handelt von jemand, den du gekannt hast, und doch handelt es von keinem, den du kennst.

Und nun zu der „Geschichte“:


Direkt neben Dir gibt es ein Tal, das Du nicht sehen kannst. Du siehst es solange nicht, bis Du Dich selbst in diesem Tal befindest. Und wenn Du in diesem Tal bist, weißt Du erst, dass Du dort gewesen bist, wenn Du nicht mehr dort bist.

Ich meine das „Dunkle Tal“. Manche nennen es auch den Tod, aber ich habe es immer nur das „Dunkle Tal“ genannt. Und zwar deshalb, weil man hindurchgehen muss. Und wenn Du hindurchgegangen bist, dann bist Du nicht mehr so, wie Dich Deine Mama, Dein Papa, Deine Brüder, Schwestern, Nachbarn und Freunde in Erinnerung haben. Du wirst nämlich anders im „Dunklen Tal“, und davon will ich Dir gerne ein wenig erzählen.

Das „Dunkle Tal“ befindet sich die ganze Zeit direkt neben Dir, Du siehst es bloß nicht. Du siehst das „Dunkle Tal“ erst in dem Augenblick, in dem Du es betreten musst, und das ist, wenn Du stirbst. Und das ist ja ein bisschen schwierig zu erklären. - Aber wenn Menschen sterben, dann machen sie sozusagen „einen Schritt neben sich selbst“, und dann sind sie auf einmal im „Dunklen Tal“.

Sie können nicht selber bestimmen, ob sie hineinwollen oder nicht, und keiner kann sie aus dem „Dunklen Tal“ zurückholen. Der Weg im „Dunklen Tal“ führt nur in eine Richtung. Du kannst Dich nicht mehr einfach umdrehen und umkehren, wenn Du erst einmal im „Dunklen Tal“ bist.

Am Anfang ist das „Dunkle Tal“ einfach finster. Und es kann sein, dass die, die es durchwandern ein bisschen weinen, denn es kann wehtun, wenn man sich plötzlich neben sich selbst befindet, im Schatten des Tales. - Ich sage Schatten, weil das Tal nicht ganz finster ist. - Wäre es nämlich pechschwarz, dann wäre es ja unmöglich, sich darin zu-recht-zu-finden. Aber es gibt ein Licht im „Dunklen Tal“. Und davon will ich Dir später noch erzählen.

Die, die dort laufen, weinen also vielleicht ein bisschen, jedenfalls am Anfang. Aber wenn sie immer weiter hineinkommen, hören sie auf zu weinen. Ich glaube, dass sie sozusagen vergessen, dass sie „einen Schritt neben sich selbst gemacht“ haben. Sie vergessen, was ihnen wehgetan hat. Sie merken bloß, dass der Weg plötzlich ein bisschen nach oben ansteigt. Und dann sehen sie immer mehr von dem Licht.

Und jetzt will ich Dir vom Licht im „Dunklen Tal“ erzählen. - Aber ich kann nichts über das Licht sagen, ohne Dir von dem zu erzählen, der immer wartet. Ich nenne ihn einfach den „Der-Immer-Wartet“. - Klar, das ist ein etwas komischer Name. Aber ich bin ganz sicher, dass er selbst diesen Namen auch sehr gern hat. - Denn das ist es, was er tut: Er wartet immer.

Dort, wo das „Dunkle Tal“ aufhört, beginnt eine große Wiese. Diese Wiese nennt man, glaube ich, die Sommerwiese, weil dort immer Sommer ist. - Jetzt denken sicher einige, dass das langweilig ist, wenn auf der Sommerwiese immer Sommer ist. Denn es gibt ja Leute, die den Frühling oder den Winter oder den Herbst lieber haben als den Sommer. - Aber in dem Land, das am Ende des „Dunklen Tals“ liegt, ist eben vieles anders als hier bei uns. - Da kommen die Jahreszeiten nicht nacheinander, wie du und ich es gewohnt sind. - Nein, in diesem Land liegen die Jahreszeiten nebeneinander. Auf der einen Seite der Sommerwiese liegen die Frühlingsgärten, auf der anderen Seite befindet sich ein großer Park, der heißt Herbstfeld. Und dahinter kannst Du, wenn Du möchtest, direkt in den Winterwald gehen.

Du verstehst also vielleicht, dass Du in diesem Land selber wählen kannst, wo Du am liebsten sein möchtest. Du kannst direkt von der Sommerwiese in den Winterwald gehen oder auch in die Frühlingsgärten. Und wenn Du Hunger hast, machst Du einfach einen kleinen Spaziergang zum Herbstfeld und pflückst Dir eine schöne Birne oder Apfelsine. - Und das alles kannst Du an einem einzigen Tag machen. Übrigens ist in diesem Land niemals Nacht, es ist dort immer Tag.

Das „Dunkle Tal“ führt also direkt auf die Sommerwiese, Ich glaube, das muss so sein, weil es so gut tut, ins warme Sommerland zu kommen, wenn Du durch die „Schatten des Tales“ gegangen bist. Da fühlst Du Dich ganz schnell wieder mollig warm.

Es gibt übrigens viele Leute, die legen sich erst einmal eine Weile hin und schlafen, wenn sie auf der Sommerwiese angekommen sind. - Sie lassen sich einfach ins Gras fallen, und selbst wenn sie direkt in der Sonne liegen, kriegen sie keinen Sonnenbrand. Es wird ihnen einfach warm, und sie träumen etwas Schönes.

Aber nun darf ich natürlich nicht vergessen, mehr über den zu erzählen, der immer wartet. Er, der „Der-Immer-Wartet“ ist nämlich der Allerwichtigste. - ER ist der Wichtigste! Er steht immer am Ausgang des „Dunklen Tales“. Seine Augen schweifen suchend durch die Schatten, denn er wartet auf alle, die durch das Tal hindurch kommen sollen. Zusammen mit ihm stehen dort drei Engel da. - Die Engel - Dienstboten Gottes - die sollen IHM helfen und stehen bereit, um alles zu tun, was ER ihnen sagt.

Der erste heißt der „Engel des Lichts“. - Wenn Du schon einmal an einem Meer warst, dann hast Du bestimmt schon einmal einen Leuchtturm gesehen. - Ohne Leuchtturm wissen nämlich die Schiffe nicht, wie sie fahren sollen, um sicher voranzukommen. Und der Engel des Lichts ist fast so etwas wie ein Leuchtturm.
„Komm, ich höre jemanden“, sagt plötzlich der „Der-Immer-Wartet“ zu dem „Engel des Lichts“. Und dann stellt sich der „Engel des Lichts“ in den Ausgang des „Dunklen Tals“ und lässt seine Fackel weit in die Finsternis hineinleuchten.

Und die durch das Tal kommen, die sehen das Licht. Und so wissen sie, wohin sie gehen sollen.

„Pst!“ sagt dann der „Der-Immer-Wartet“, - „ich höre die Schritte eines Kindes. Los, Engel des Lichts, strahl bitte viel heller! - Komm, leuchte noch wärmer und zeig dem Kind den Weg!“ - Und jedes Mal, wenn ein Kind ankommt, geht der „Engel des Lichts“ ganz in das „Dunkle Tal“ hinein. - Und das Licht ist so stark, dass die Schatten verschwinden. Und dann ist es taghell im „Dunklen Tal“.

Und stell dir vor, das Kind sieht das Licht und läuft ihm entgegen. Es läuft ihm entgegen. Und da lächelt der „Der-Immer-Wartet“. Er streckt dem Kind die Arme entgegen. - Aber, das kann das Kind noch nicht sehen, weil das Licht so sehr hell ist, und weil das Kind noch so tief im „Dunklen Tal“ ist.

Und weißt Du, was dann geschieht? Dann ruft der „Der-Immer-Wartet“ den zweiten Engel herbei. Das ist der „Engel der Hoffnung“.

Vielleicht weißt du nicht, was das ist, eine Hoffnung. - Ich will es dir gern erklären: „Hoffnung“ ist etwas, was dich fröhlich macht, damit du wieder Lust bekommst. Damit Du wieder Lust bekommst, im „Dunklen Tal“ weiterzugehen.

Der „Der-Immer-Wartet“, der weiß, dass das Kind von der langen Wanderung leicht müde wird. Und deshalb bittet er den „Engel der Hoffung“ zu kommen und auf seiner Flöte zu spielen. Der „Engel der Hoffnung“ hat nämlich eine Flöte. Und wenn der „Engel der Hoffnung“ darauf spielt, dann ist das so, als ob alle Singvögel der Welt in der Flöte wohnen. Und wenn er dann spielt, dann flattern sie mit seiner schönen Melodie weit hinaus. Sie fliegen ganz weit, bis hin zu dem Kind, das durch das „Dunkle Tal“ wandert. - Und dann fängt das Kind an, sich zu erinnern. Es denkt an den Sommer und an die Vögel. Es denkt daran, wie es gespielt hat, wie es durchs Gras gesprungen und fröhlich gewesen ist. Und wie es zu Hause durch das Küchenfenster, die Vögel beobachtet hat und die Kinder aus dem Dorf, wenn sie im Garten draußen Schlitten gefahren sind.

Nun habe ich ja vorhin schon gesagt, dass Du Dich im „Dunklen Tal“ nicht umdrehen und nicht rückwärts gehen kannst. Und weil Du nicht rückwärts gehen kannst, kannst Du auch nicht rückwärts denken. - Das hört sich sehr merkwürdig an, aber wenn Du nicht rückwärts denken kannst, dann musst Du vorwärts denken. Und genau das tut das Kind. - Wenn es die herrliche Mundharmonikamusik hört und das Licht sieht, dann denkt es vorwärts und dann spürt es: „Ich muss mich beeilen, damit ich dahin komme, wo die Musik herkommt. - Denn da gibt es einen Ort, wo ich mich freuen kann. Da ist der Sommer und die Freude." - Und so beginnt das Kind ganz schnell zu laufen. Und die Füße, die so müde waren, die kriegen wieder richtig neue Kraft.

Aber wenn das Kind noch sehr klein ist, dann kann es sein, dass es nicht so weit laufen kann. Selbst wenn der „Engel des Lichts“ so hell wie möglich strahlt. Und selbst wenn der „Engel der Hoffnung“ so laut und schön auf der Mundharmonika spielt, wie er nur kann - es kann doch passieren, dass das Kind müde wird und nicht mehr laufen will. Und vielleicht setzt es sich dann hin, um auszuruhen. Vielleicht schläft es auch ein.

Und weißt Du, was dann geschieht? Das will ich Dir unbedingt erzählen: Dann geht der „Der-Immer-Wartet“ selbst in das „Dunkle Tal“ hinein. - ER ist der einzige; der fähig ist, den Weg zurückzugehen und die abzuholen, die da kommen. - Ja, manchmal geschieht es auch, dass da ganz kleine Kinder sterben, die noch gar nicht laufen gelernt haben. Und dann muss der „Der-Immer-Wartet“ durch das ganze Tal laufen, um sie zu holen. Und dann trägt er sie behutsam durch das „Dunkle Tal“ und legt sie vorsichtig ins Gras der Sommerwiese.

Und weißt Du, was ER macht, während, ER durch das Dunkle Tal geht? - Er singt! - (Du, er singt besser als die Mama oder der Papa! - Echt, früher hat das Kind immer zu Hause vor dem einschlafen gesagt: „Mama, Papa sing!“) - Und jetzt singt der „Der-Immer-Wartet“ für das Kind. Und wenn die Kinder schlafen, dann singt ER Wiegenlieder, und wenn sie wach sind, dann singt ER fröhliche Lieder. Und die handeln von all dem, was es so auf der Sommerwiese, in den Frühlingsgärten, im Winterwald und auf dem Herbstfeld gibt. Und das Kind sieht, wie ER ihm entgegenkommt - aus derselben Richtung, aus der auch das Licht kommt.

Und dann hat das Kind überhaupt keine Angst mehr. Es weint auch nicht mehr. Denn das Kind weiß, dass der „Der-aus-dem-Licht-kommt“ Gutes bringt. Und in dem Augenblick, wo der „Der-Immer-Wartet“ sich bückt und das Kind hochhebt, da lächelt ihn das Kind an. Ich glaube fast, das Kind erkennt ihn wieder, obwohl es ihn niemals vorher gesehen hat. Das ist so, als ob sich das Kind nun doch ganz tief zurückerinnert, wie es früher in die Arme genommen worden ist. Es denkt daran, dass da schon einmal jemand da war, vor langer, langer Zeit, der es lieb gehabt hat. Das Kind war schon einmal an einem Ort, wo es singen und überhaupt ganz viel spielen konnte und ganz ruhig schlafen, wenn es müde war.

Ich glaube, du verstehst jetzt genau, wo das war. - Das war zu Hause bei seinen Eltern, bei denen es gewohnt hat, bis es den Schritt zur Seite gemacht hat. -

Daheim - zu Hause bei dem Kind - da ist jetzt alles ganz, ganz traurig. Da weinen sie, und keiner kann sie trösten. Und deswegen muss ich Dir mehr erzählen, von dem „Der-Immer-Wartet“. Er nimmt das Kind ganz behutsam in die Arme und trägt es. Und dabei schläft das Kind ein, da bin ich ganz sicher. Es schläft und träumt davon, wie es ins Licht getragen und in die warme Sonne gelegt wird, auf die Sommerwiese. Und wenn es aufwacht, dann ist das alles wirklich so. Denn genau das ist ja passiert.

Der „Der-Immer-Wartet“ sitzt neben dem Kind. Du kannst ihn auch genauso gut den „Der-Niemals-Schläft“ nennen, wie es im 121. Psalm heißt: „Er schläft und schlummert nicht.“ Denn ER schläft wirklich niemals. Er ist immer wach. Und das macht er, weil er auf alle wartet, die kommen. Darum steht er ja da, wo das „Dunkle Tal“ aufhört und die Sommerwiese anfängt. Aber wenn ein kleines Kind zum ersten Mal auf der Sommerwiese schläft, setzt er sich direkt neben das Kind und passt auf, obwohl es auf der Wiese gar nichts Gefährliches gibt.

Wenn das Kind aufwacht, sieht er es an und lächelt. Er streichelt mit seinen Händen das Gesicht des Kindes, und seine Hände sind warm und leicht wie die Flügel eines Schmetterlings.

Und weißt Du, was dann passiert: Da sieht das Kind, dass der „Der-Immer-Wartet“ weint. Ja, große Tränen tropfen aus seinen Augen. - Das Kind erinnert sich nicht mehr, warum man weint, denn auf der Sommerwiese gibt es keinen, der weint. Da gibt es nur Spiel und Gesang und Freude. Aber jetzt weint auch das Kind zusammen mit dem, der immer wartet. Es weint und weiß aber selber gar nicht mehr warum.

Du und ich, wir wissen, warum das Kind weint. Es weint, weil es nicht mehr da ist, wo es früher immer war. Daheim bei Mama und Papa, aber das weiß ja das Kind nicht mehr. Nur wir weinen, wenn ein anderer einen Schritt zur Seite gemacht hat und gestorben ist. Wer durch das „Dunkle Tal“ gegangen ist, hat alles Weinen und alle Schatten hinter sich gelassen.

Aber der „Der-Immer-Wartet“ weiß noch, wie es früher war. Er kennt uns, auch wenn wir noch am anderen Ende des „Dunklen Tals“ wohnen. Darum weint er zusammen mit uns. Und er trocknet die Tränen des Kindes und macht, dass das Kind wieder lächelt.

Jetzt ist es soweit, dass der dritte Engel kommt. - Der „Der-Immer-Wartet“ ruft diesen Engel niemals herbei. Das braucht er nicht, weil der Engel immer von selbst kommt, wenn der „Der-lmmer-Wartet“ weint. Und dann kommt der Engel und schmiegt sich ganz eng an den „Der-Immer-Wartet“, so nah, dass die Tränen auf den Engel niedertropfen. Er schmiegt sich so nah an ihn, dass der Engel ganz bestimmt hören kann, wie dem „Der-Immer-Wartet“, das Herz schlägt. - Dieser Engel heißt der „Engel des Trostes“.

Der „Der-Immer-Wartet“ redet niemals mit dem „Engel des Trostes“. Aber sobald der „Engel des Trostes“ ganz nah bei ihm war und seine Tränen und seinen Herzschlag gespürt hat, geht der „Engel des Trostes“ wieder weiter. Er geht so sanft und so leise, dass Du ihn fast nicht hören kannst. Aber wenn er bei Dir war, hörst Du nach einer Weile auf zu weinen. Und vielleicht hörst Du dann eines Tages, dass der „Engel der Hoffnung“ für dich Mundharmonika spielt. Und eines Nachts siehst Du, dass der „Engel des Lichts“ auch in dein „Dunkles Tal“ scheint.

Nachdem der „Engel des Trostes“ dann gegangen ist - und ich glaube, du weißt jetzt, wo er hingeht - sitzt der „Der-Immer-Wartet“ noch ganz lange bei dem Kind.

Und ich glaube, das Kind schläft noch ein bisschen und träumt noch ein wenig, bevor es dann ganz aufwacht.

Und der „Der-Immer-Wartet“ sieht das Kind an.
- „Du bist Stefan“, sagt er. - Und da erinnert er sich an seinen Namen. -
Er richtet sich auf und nimmt den „Der-Immer-Wartet“, bei der Hand.
„Und du bist Jesus“, sagt dann Stefan ganz laut.
Dann lässt er seine Hand los und springt barfuß hinaus auf die Sommerwiese.

                



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